Konferenzen 2.0: Unprofessionell statt cool

Langsam gehen mir diese Konferenzen 2.0 echt auf die Nerven. Ich bin ja durchaus auch ein Prokrastinierer und Last-Minute-Man, aber wenn ich eine Konferenz mache und sich die Leute den Tag freihalten und ihre Anreise planen, dann muss ich irgendwann mal delivern, und zwar nicht mit einem nonchalanten Lächeln am Vorabend.

logoBeispiel WordCamp 2008. Gute Idee: ein BarCamp zu WordPress. Als ich das allererste Mal vom WordCamp gelesen habe, das war wohl im September, habe ich mir daher den Termin direkt eingetragen, und plante fest, dort hinzugehen.

Etwas skeptisch wurde ich allerdings schon, als ich mal per Kontaktformular oder so anfragte, wie eigentlich die Sponsoringtarife seien, denn ein paar hundert Euro fürs Blogwerk-Logo irgendwo wären vielleicht eine nette Ausgabe fürs Recruiting gewesen. Keine Antwort.

Über Neujahr (drei Wochen vor dem Event) habe ich dann wieder die Website angeschaut – und der letzte Post war vom 5. Dezember. Bei „Location“ stand immer noch die lockere Ideensammlung von September. Zwar gibt es eine lange Teilnehmerliste, und mir ist schon klar, wenn sie es wie ein BarCamp organisieren, dass dann auch sicher etwas stattfinden wird, aber mir geht sowas auf die Nerven. Ich wollte meinen Flug und ein Hotel buchen, und das mache ich nicht, wenn ich keine Ahnung habe, wo das ganze stattfindet. Habe also das WordCamp mit leichtem Bedauern aus meinem Kalender gelöscht.

Zwei Tage später fing dann zwar eine Post-Offensive an, aber bereut habe ich es noch nicht, denn konsistent ist etwas anderes. Am 3. Januar schreibt Cem:

Wie es ausschaut, werden wir auf den letzten Drücker (puh!) eine Location für das WordCamp?08 in Hamburg bekommen. Es wird etwas vollkommen anderes sein als das beim StartupWeekend im September. Das Kontrastprogramm sozusagen. Rauh. Nackt. Punk. Urban decay. Wir werden wohl dem verblassenden Charme der 70er Jahre erliegen

… um dann zwei Tage später zu präzisieren:

Location in Hamburg gefixt! Wir treffen uns alle bei unseren Freunden im stilwerk Hamburg direkt am Fischmarkt am Hafenrand! Die wunderschönen Räumlichkeiten haben einige ja schon während des legendären StartupWeekends geniessen können.

Huh? Bin ich jetzt doof, oder ist dieses Hin und Her inkl. „puh!“ (dass man doch noch einen Raum bekommen hat, nachdem man ja drei Monate Zeit hatte zu suchen) cool? Weder noch. Ich finde es einfach nur unprofessionell.

dld-logoBeispiel DLD Conference von Burda. Einem BarCamp kann man ja noch zugestehen, dass die Leute das nebenbei machen. Komisch wird es, wenn auch Profis keinen viel organisierteren Eindruck machen.

Letztes Jahr war ich bei der DLD Conference, und es war eine gute Sache (habe auch einiges gebloggt). Die Einladung war allerdings auch letztes Jahr schon etwas merkwürdig: Ich hatte mich lange vorher im Webformular eingetragen (es ist „invite only“, aber man kann sich selbst vorschlagen, womit ich kein Problem habe) und habe damals am 12. Januar (neun Tage vorher) die Bestätigung bekommen.

Diesmal dachte ich nun, wo ich letztes Jahr schon mal dabei war, wird es wohl hoffentlich wieder klappen, und ausserdem erfahre ich es vielleicht etwas früher. Am 4. Dezember habe ich trotzdem sicherheitshalber mal das Bittsteller-Formular ausgefüllt, man weiss ja nie. Als Auto-Reponse kam:

Dear friends of DLD!
Thanks a lot for your application and your interest. We are checking all the applications and getting back to you in the middle of December 2007.
Thanks for your understanding.
Your DLD Team

Tja. Seitdem warte ich. Da es an einem Sonntag anfängt, überlegen wir, mit Familie anzureisen und das Wochenende bei Freunden in München zu verbringen. Meine Freundin fragt mich daher jede Woche einmal, ob es eigentlich inzwischen klar sei, dass ich zu dieser Konferenz in München gehe, und ich muss jedes Mal sagen: „Nein, ich weiss es leider immer noch nicht.“ Und auch die Freunde in München will man ja nicht unbedingt am Freitag anrufen und sagen: „Wir kommen übrigens morgen, also bezieht mal das Gästebett!“

Auf der Website ist inzwischen zu lesen: „The detailed DLD08 program will be announced on January, 8th. Thank you for your patience.“ Nö, langsam wird mir auch das zu dämlich. Und das Programm, auch wenn natürlich klar ist, dass das das wichtigste für die Veranstalter ist, interessiert mich ehrlich gesagt viel weniger als die Frage, ob ich nun eingeladen werde oder nicht.

Ich weiss nicht, ob die Digitale Bohéme oder wer auch immer Zielgruppe von diesen Veranstaltungen ist, keine anderen Verpflichtungen hat und monatelang auf standby sein kann. Ich will mich auch nicht wichtig tun und behaupten, ich habe einen megavollen Terminkalender. Aber er ist mit Arbeit und Familie voll genug, dass ich mich freue, wenn ich wenigstens ein paar Wochen Vorlauf habe – und nicht ein paar Tage. Selbst um hippe US-Internetleute aus der Nähe zu sehen und auf Kosten von Hubert Burda Häppchen zu essen.

PS. LeWeb3 hätte man hier noch anführen können, die 2006er-Ausgabe war sowas von schlecht organisiert und – noch schlimmer – im Nachhinein arrogant und ignorant verteidigt, so dass ich mir geschworen habe, zu keiner Konferenz von Loic LeMeur mehr zu gehen. Ich hab’s auch durchgezogen, viele andere nicht, wie Johannes treffend twitterte.

Update: Eben kam die Absage für die DLD Conference. Dieses Jahr am 11. Januar, letztes Jahr war die Zusage am 12. Januar gekommen. Es ist also kein Zufall, sondern sie meinen es so: Neun Tage Vorlauf müssen reichen.

10 Gedanken zu „Konferenzen 2.0: Unprofessionell statt cool“

  1. Yo, schade, solche Erfahrungen. Aber ich verstehe Dich und würde wohl auch so (re)agieren. Witzig finde ich dabei noch, dass viele der Jungs, die solche Events organisieren, Fans von David Allen sind und GTD sind ;-)

  2. Ich bin ja durchaus auch ein Prokrastinierer und Last-Minute-Man, aber wenn ich eine Konferenz mache und sich die Leute den Tag freihalten und ihre Anreise planen, dann muss ich irgendwann mal delivern, und zwar nicht mit einem nonchalanten Lächeln am Vorabend.

    Das Datum und die Uhrzeit stand von Anfang an fest. Jeder hätte also seine Anreise drei Monate vorher planen können. Oder sehe ich das falsch. Korrigiere mich gerne. Den genauen Veranstaltungsort innerhalb der Stadt haben wir dann vier Wochen vor dem Termin bekannt gegeben. Ich weiss nicht, wie du auf das „nonchalante Lächeln“ kommst, übrigens. Wir versuchen die komplette Planung so transparent wie möglich zu gestalten. Alle sind aufgefordert, gerne ihren Input zu geben. Und: Ja, wir haben alle auch noch unseren Broterwerb nebenbei… Da geht es uns aber nicht anders, als sogut wie allen anderen ‚Camps im Land. Ich freue mich auf jeden Fall, über alle, die zum WordCamp kommen. Ich weiss das sehr zu schätzen.

  3. Cem: Nimm’s nicht persönlich. Ich hab übrigens auch meinen Broterwerb „nebenbei“ und auch zwei BlogCamps mitorganisiert.

    Ich wollte gern kommen, ich habe mir die Website einige Wochen angeschaut, und dann entschieden, dass mir das irgendwie zu unausgegoren aussieht, wenn in Sachen Location von Mitte September bis Anfang Januar nichts passiert ist. Ich habe echt gedacht: Soll ich jetzt wirklich einen Flug buchen, und dann blasen sie es vielleicht wieder ab? (Wenn das völlig ausserhalb des Möglichen ist – Dein „puh!“, dass Ihr so gerade doch noch eine Location gefunden habt, bestätigt mich in meiner Einschätzung.)

    Ich schreibe das ja nicht, weil ich Euch eins auswischen will, ich kenne Dich ja gar nicht. Sondern ich war ein potenzieller „Kunde“, habe mir eine Teilnahme lange überlegt, weil ich es inhaltlich spannend finde, und dann habe ich mich dagegen entschieden – durchaus auch etwas zu meiner eigenen Enttäuschung.

    Zu meiner unbeantworteten Sponsoringanfrage hast Du dich jetzt nicht geäussert.

  4. Ich hatte deine Anfrage damals beantwortet. Ich hatte dir geschrieben, das ich deine Anfrage zu dem damaligen (sehr) frühen Zeitpunkt nicht beantworten kann.

  5. Nachtrag: Natürlich nehme ich das micht persönlich. Es ist sehr ehrenvoll mit der DLD verglichen zu werden. Ich halte die DLD für eine der gelungensten Veranstaltungen in Europa. Für mich ist sie sehr inspirierend und sehr hochklassig. Und sie ist sehr gut organisiert vom Team.

  6. Vielleicht bist Du zur DLD dies Jahr einfach nicht eingeladen worden? Ich habe meine Teilnahme-Bestätigung Mitte Dezember erhalten. Etwas irritierend ist es natürlich schon, dass bisher kein Programm online ist.

  7. Cem: Bin froh, dass Du es nicht persönlich nimmst. Die DLD ist sehr gut organisiert – sobald man mal da ist.
    Die Mail habe ich nicht bekommen. Vielleicht im Spam-Filter.

    Mark S: Kann sein. Trotzdem ein komisches Prozedere.

  8. Hm, Barcamps sind halt so richtig spontan, wie ein Flashmob. „Mal schauen, wer kommt und was wir dann vortragen. Vielleicht fällt mir ja spontan was ein!“.

    Klar, wenn das mit einem Flug verbunden ist und man dann nicht weiß, ob es nur Gähnen 2.0 wird – ich war letzten Herbst dann auch nicht in Hamburg zu einer Veranstaltung, die in diese Richtung zu driften drohte. Auch da waren meine Zweifel wohl nicht unberechtigt, auch wenn die Gründe meines Nichterscheinens dann anderer Art waren.

    DLD, nein, Peter, das ist was anderes. In München sind die Discotheken stolz darauf, die härteste Tür der Stadt zu haben, bei der niemand weiß, ob er reinkommt oder nicht. („Peter Hogenkamp? Gästeliste? Mir doch wurscht, mit diesen Schuhen kommst Du hier nicht rein!“). Also gehört das zum Spiel, damit wird das Event wichtiger. Der Eintritt ist ja frei und es würde sonst völlig überfüllt, weil bei manchen Leuten immer noch Gerüchte von reichhaltigen Burda-Buffets rumgeistern und mancher längst pensionierte Schreiber in München sich auf diese Art von Event zu Event durchfuttert, wenn die Rente nicht reicht.

    Etwas durcheinander ging es dieses Jahr beim DLD tatsächlich, die ersten Presseeinladungen gingen mit der ganzen CC-Liste raus, was es bis auf Heise schaffte und hoffentlich keine Guerilla-PR war. Ich habe inzwischen aber meine Akkreditierung. Beim ersten DLD wußte ich von dieser Thematik gar nichts und bekam den Termin nur von einem Kollegen.

  9. Pingback: Wordcamp 2008?

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